Udo Rauchfleisch (*1942) ist promovierter Fachpsychologe für Psychotherapie und Psychoanalytiker sowie emeritierter Professor für Psychologie. Er hat viele Fachbücher verfasst, darunter auch über Transgender und Transidentität. Seit ein paar Jahren schreibt er auch Krimis. Rauchfleisch ist cis-männlich und schwul, Vater von drei Kindern und mehrerer Enkelkinder. Mit seinem Mann lebt er in Basel. Er ist Mitglied von queerAltern und Vorstandsmitglied des Ende 2021 gegründeten Vereins queerAltern Basel.
Udo Rauchfleisch
Udo Rauchfleisch: Ältere trans Menschen werden oft geradezu übersehen, obwohl es inzwischen natürlich etliche trans Personen gibt, die ins höhere Alter gekommen sind oder auch ihre Transition erst im höheren Alter durchgeführt haben. In unserer von Cis- und Heteronormativität geprägten Gesellschaft ist der Blick fast ausschliesslich auf die Mehrheitsbevölkerung gerichtet, und es erscheint mitunter so, als ob Diversität zwar den jüngeren, nicht aber den älteren Menschen zugestanden wird.
Es sind im Grunde die gleichen Probleme, die sich auch bei älteren Lesben und Schwulen finden, nämlich dass die Alters- und Pflegeheime sowie die Spitex-Dienste auf diese Klient:innen kaum bis gar nicht vorbereitet sind. Du warst ja bei den Studien zu der Situation in den Institutionen mitbeteiligen und kennst die Ergebnisse. Psychisch belastend kann sich zudem gerade im Alter auswirken, wenn die Herkunftsfamilie oder auch Freund:innen einer trans Person den Kontakt zu ihr abgebrochen haben und die trans Person dann im Alter der Gefahr sozialer Isolation und des Erlebens von Einsamkeit ausgesetzt ist. Aus diesem Grund ist eine gute soziale Vernetzung für sie besonders wichtig.
Die Betreuungspersonen müssen nichts Spezielles beachten, sondern offen sein, Akzeptanz und Respekt zeigen und für Akzeptanz in der Pflege und Betreuung sorgen, das heisst zum Beispiel via Leitbild der Institution, in der Aus- und Weiterbildung des Personals – und indem sie darauf achten, dass Akzeptanz und Respekt trans Personen gegenüber auch von den anderen Bewohner:innen garantiert ist.
Es geht ihnen genauso wie anderen älteren Menschen, indem sie finanziell nicht abgesichert sind und zum Teil von der Sozialhilfe abhängig werden. Dies ist eine für alle Menschen schwierige Situation. Da trans Personen aber in unserer von Cis- und Heteronormativität geprägten Gesellschaft ohnehin oft benachteiligt werden und Diskriminierungen ausgesetzt sind, treffen diese finanziellen Probleme sie, nicht zuletzt auch in ihrem Selbstwertgefühl, umso härter.
Ja, viele ältere trans Personen – vor allem die, die ihre Transition erst in der zweiten Lebenshälfte in Angriff genommen haben – sind glücklich und geniessen ihr Alter ganz besonders, weil sie den Schritt zur Transition noch gemacht haben. Sie profitieren auch von der Lebenserfahrung, die sie mitbringen. Und: Es ist gerade für trans Personen – ähnlich wie für Lesben und Schwulen – wichtig, dass sie vor allem im Alter einen stabilen, sie emotional tragenden und sie unterstützenden Kreis von Bezugspersonen haben, um der Gefahr der Vereinsamung zu begegnen. Dazu gehört auch in besonderer Weise eine gute Vernetzung in der Community – beispielsweise durch queerAltern.
Die Fragen stellte Christian Wapp. Das Interview wurde schriftlich geführt.