Niklaus Flütsch (*1964) ist Facharzt für operative Gynäkologie und Geburtshilfe FMH sowie Spezialist für Hormonbehandlungen mit eigener Praxis in Zug. Zudem ist er Belegsarzt als Geburtshelfer und Chirurg am Kantonsspital Zug. Seine Transition machte er 2014 publik mit dem Buch «Geboren als Frau – Glücklich als Mann». Zusammen mit seinem Mann lebt er in Zug. Niklaus Flütsch ist Mitglied von queerAltern.
Niklaus Flütsch
Niklaus Flütsch: Ich wünsche mir, dass die betreuenden Personen mich mit Respekt und Anstand pflegen und keine Berührungsprobleme mit transgeschlechtlichen Menschen haben. Ich glaube, dass diese Forderung für alle pflegebedürftigen Menschen gelten sollen, ganz unabhängig davon, ob sie nun trans sind oder ob ihr Körper aus anderen Gründen nicht der Norm entspricht. Ich denke da etwa an eine Brustamputation wegen Brustkrebs, eine Beinamputation oder an körperlich Gebrechen. Es gehört einfach zum Berufsethos und zu einer fachlich qualifizierten Ausbildung in der Pflege, dass man jedem Menschen mit Respekt und Anstand begegnet. Wenn dazu noch Empathie und Herzenswärme kommt wäre das natürlich perfekt.
Die Sensibilisierung der Ausbildung sollte erhöht werden. Der Wunsch, mehr LGBTIQ+ spezifische Themen in die jeweiligen Studiengänge einzubringen, besteht ja schon lange. Leider sind die Lehrpläne derart vollgestopft, dass für dieses Thema einfach zu wenig Zeit zur Verfügung steht. Was mich aber freut ist, dass immer öfters das Thema Trans/Queer in Diplom- und Abschlussarbeiten von jungen Absolvent:innen gewählt wird, was dann die Lehrpersonen dazu auffordert, mehr über diese Aspekte nachzudenken.
Ich kann es mir sehr gut vorstellen, mit LGBTIQ+-Menschen zusammenzuleben. Ich möchte aber nicht ausschliessend sein. Das heisst, es darf durchaus ein Ort sein für LGBTIQ+ und eben auch ein Plus für Hetero-cis-Menschen. Schliesslich möchte ich einfach ein trans*normales Leben führen.
Das könnte zum Beispiel eine Alters-WG sein oder eine Altersiedlung. Vielleicht gibt es auch andere Möglichkeiten, sich nahe zu stehen. Via Internet und Social Media auf einer virtuellen Plattform, wo man sich austauschen und zueinander schauen kann.
Ich weiss nicht, ob eine Patientenverfügung die Betreuer:innen dazu verpflichten kann Menschen in Würde zu betreuen. Das ist doch eine innere Haltung, welche entweder vorhanden ist oder nicht. Hier müsste das Personal einfach richtig ausgewählt und geschult werden.
Wenn die Hormonbehandlung korrekt durchgeführt wird, erwarten wir heute keine Spätfolgen der Behandlung. Die Studien, die darüber gemacht wurden, zeigen keinen Unterschied zu der Durchschnittsbevölkerung im Hinblick auf Krebsleiden oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es ist aber so, dass trans Menschen wegen der psychischen Belastung öfters an Suchtkrankheiten leiden und das Selbstmordrisiko höher ist. Aber das kennt man wohl auch bei schwul-lesbischen Menschen, dass sie hier einem grösseren Risiko ausgesetzt sind.
Darüber gibt es tatsächlich noch wenig Informationen. Auch die American Endocrine Society und die World Professional Association for Transgender Health (WPATH) legen sich hier nicht fest. Ich empfehle meinen Patientinnen (trans Frauen), wenn sie älter sind, die Dosis zu senken und auf die besser verträglichen Pflaster oder Gels zu wechseln. Hier gibt es ja viele Untersuchungen zu cis-Frauen, und man kann das aus meiner Sicht auch gut auf ältere trans Frauen übertragen. Das Krebsrisiko ist sehr gering und kann wohl nur bei der Brust als signifikant bezeichnet werden. Hier empfiehlt es sich, regelmässige Vorsorgeuntersuchungen zu machen. Bei trans Männern empfehle ich die sogenannte «Wohlfühl-Dosis». Das heisst: So wenig wie möglich und so viel wie nötig, sodass sich die Person wohlfühlt.
Das Brustkrebsrisiko bei Transmännern und non binären Menschen nach Mastektomie ist extrem klein, aber nicht null. Es wird ja keine radikale Krebsoperation durchgeführt, sondern nur optisch der Brustkorb vermännlicht. Somit bleiben oft kleine Restdrüsenpakete zurück, die theoretisch natürlich bösartig werden können. Da es sich aber um kleine Areale handelt und die typisch weibliche Hormoneinwirkung fehlt, kommt das sehr selten vor.
Das ist eine sehr komplexe Frage. Die kann ich wohl kaum in wenigen Sätzen beantworten. Das ist äusserst individuell, auch abhängig von der Operationstechnik, vom Operateur oder von der Operateurin und nicht zuletzt auch, wie die Selbstpflege nach dem Eingriff stattgefunden hat.
Die Fragen stellte Christian Wapp. Das Interview wurde schriftlich geführt.